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An dieser Stelle folgen ohne zeitlichen Zusammenhang Interpretationen und Gedanken zu den Songs von Rush, die mich tiefer berührten und Assoziationen und Gedankengänge in mir hervorriefen. Ein bunte Mischung aus Zitaten der Musiker selbst, Querverweisen und Bildern, die in mir zusammen mit Text und Musik anklangen. Es liegt mir fern zu deuten, was die Absicht der Autoren der Texte letztlich war, es ist nur ein Spiegel der den Blick durch meine Augen wiedergibt.

Animate
Polarize me

Eigentlich ist damit schon alles gesagt, um was es in diesem Song, aber auch im ganzen Album geht. Polarisierung beherrscht unser irdisches Leben, natürlich spielt der Text auf die nicht immer so einfache Beziehung zwischen Mann und Frau an. Die Vielschichtigkeit der weiblichen Persönlichkeit, verbunden mit der so wichtigen Ergänzung von Eigenschaften, die der Mann eben noch nicht ohne weiteres besitzt, bzw. die er erst durch eine Frau (Spiegel des Ichs) an sich kennenlernt.
godess in my garden, sister in my soul ... sister to the boy inside of me



Gemeint ist aber m.E. auch, wie man dem Booklet entnehmen kann, die Polarisierung als Ausdruck der Zwiespaltigkeit unserer Existenz, alles was einem Pol zugewiesen wird erzwingt zum Ausgleich einen Gegenpol (magnetische Pole, Strompole, Yin/Yang, Schraube/Mutter, Note/Pause, Ein-/Ausatmen etc ...).

Hierin spiegelt sich unser seit dem Herausfallen aus der göttlichen Einheit („Paradies“) bestehendes Dilemma der ständigen Ein-Teilung aller Dinge, allen voran Raum und Zeit. Sinnbild für die Unfähigkeit Gleichzeitig zwei Dinge wahrzunehmen ist z.B. eine ambige Figur wie die klassiche Kelch/Köpfe-
Figur




Zurück zum Menschlichen „Dilemma“: Das männliche Wesen wird in seiner Widersprüchlichkeit sehr gut im Mittelteil dargestellt. Eine Textzeile beschreibt jeweils die „Schwächen“ des Mannes, die ihm in Form des weiblichen Gegenübers (counterpart) aufgezeigt werden

my counterpart, my foolish heart...a secret face, a touch of grace...

und die durch vermeintliche „Stärke“ versuchten Abwehrmanöver

a man must learn to rule his tender part...a man must learn to gently dominate...

Diese vergeblichen Versuche des Mannes, seine „weibliche“ Seite zu verleugnen, ist im übrigen in stark hierarchischen bzw. patriarchischen Kulturen so weit perfektioniert worden, daß nur über eine steigende Anzahl von (oft heimlichen) Homosexuellen wieder ein Ausgleich möglich war (versteckte Kompensation des überdominanten männlichen Geschlechts).

Dabei führt letztlich nur die Vereinigung der Gegensätze zum Ziel (wie das körperlich funktioniert, ist wohl jedem klar; seelisch bleibt das eine Lebensaufgabe). Schön symbolisiert durch Winkel (männlich) und Kelch (weiblich) im Hexagramm. Interessant ist, daß das zweite Dreieck nur aus den Kugeleinschnitten im Kopf ergänzt wird. Schöner kann man die geistige Integration der „besseren“ Hälfte nicht symbolisieren.



Die verschiedenen Ausprägungen des Weges dorthin beschreibt wiederum der Refrain sehr gut:

POLARIZE ME ... Gegensätze werden sichtbar
SENSITIZE ME ... Sinne werden geschärft
CRITICIZE ME ... Schattenseiten werden aufgezeigt
CIVILIZE ME ... Zuhören ist Vorraussetzung
COMPENSATE ME ... Negative Energie wird aufgefangen
ANIMATE ME ... Positive Energie wird angefacht
COMPLICATE ME ... Feinere Strukturen werden erkennbar
ELEVATE ME ... Weiterentwicklung ist das Ziel

Begegnung mit dem anderen Geschlecht ist auch immer Begegnung mit dem, was uns heil machen kann auf dem Weg zur Vollkommenheit.


 
 
 

Chain lightning
Chain lightning - a form of lightning that moves rapidly in a zigzag path with one end divided (fork-like)

Ein Ketten- oder Gabelblitz, den ihr sicher schon mal mit mehr oder weniger gemischten Gefühlen beobachtet habt. Dieser Blitz steht nicht nur für eine schnelle Verbindung zwischen Wolke und Erde, sondern auch zwischen Beobachter und Objekt bzw. verschiedenen Beobachtern untereinander durch das gleichzeitig Beobachtete.

Es geht also mal wieder um Wetterphänomene, für die Neil so empfänglich ist. Hier ein Ausschnitt aus seinem Kommentar zum Entstehen und der Bedeutung des Songs:

"I'm a weather fanatic - I really love weather, and I watch the weather and look for a good weatherman. And, one night I was watching it, and there are two incidents in that song that are Synchronicity to one weather report, where the weatherman showed a picture of sun dogs, and described them, and they are just two little points of light that appear at sunset, often in the winter when the sky is clear and crystalline, and they are like little prisms, and they sit about ten degrees north and south of the setting sun, and they are just beautiful little diamonds of light, and often times there's a circle of light - one line, that connects them. So they are a really beautiful natural phenomenon, and I love the name too. 'Sun dogs' just has a great sound to it. And in that same weather forecast, the weatherman announced a meteor shower that night, and so my daughter and I went out on the lake in the middle of the night and watched this meteor shower.“ (N.P., songfacts.com)

Diese „Sundogs“ gilt es einmal näher zu beleuchten:

Sun Dogs

The bitter cold gripping the Midwest is generating what are called "sun dogs," an atmospheric phenomenon usually seen only by inhabitants of the polar regions.
Also called mock suns or false suns, sun dogs form when incoming sunlight is refracted through suspended ice crystals in the atmosphere, creating the image of two brilliant spots on either side of the sun.
The phenomenon is common in Arctic regions, but rare in the Midwest.
Chicago, Jan. 11 1997(UPI)

Alles klar ? Wunderschön eingefangen wurde dieses Phänomen von Stan Richard auf www.nightskyevents.com. Diese Seite lohnt übrigens einen eigenen längeren Besuch. Oh, und Stan ist – wie sollte es anders sein – auch Rushfan und seine Frau hat einen Lieblingssong: Chain Lightning !!!



© 2004 Stan Richard, stan@nightskyevents.com

Das Neil´sche Universum geht natürlich weit über die bloße Naturbeschreibung hinaus und findet in diesen Phänomenen Augenblicke der Gemeinsamkeit, der Zusammengehörigkeit und der Wiederspiegelung des Einzelnen im Universum. Man muß seine Antennen für „mystic rhythms“ ausfahren, ein „test for echo“ wagen, um die Saiten seiner Seele zum mitschwingen zu bringen ( respond-vibrate-feedback-resonate ).

Es ist das Resonanzgesetz, das letzten Endes uns alle aneinanderschweißt, unsere Umwelt mit uns korrespondieren läßt und uns somit automatisch in eine Verantwortlichkeit für die Natur wie für uns selbst bringt. So wie wir Schwingungen auffangen, senden wir auch aus. Wir teilen Eindrücke und vervielfachen den „Gewinn“ durch gemeinsames Erleben, gemeinsame Freude. Neil drückt das so aus:

„So the whole idea of the song was response and how people respond to things, and it's a thing I've found a lot in traveling around the world, too. It's not enough just to travel and see things. You have to respond to them - you have to feel them, and a lot of the thrust of that song is how things are transferred, like chain lightning or enthusiasm or energy or love are things that are contagious, and if someone feels them, they are easily transferable to another person, or in the case of watching a meteor shower, it's made more special if there is someone else there. 'Reflected in another pair of eyes' is the idea that it's a wonderful thing already, just you and the meteor shower, but if there's someone else there with you to share it, then it multiplies, you know, it becomes exponentially a bigger experience, so response is a theme that recurs in several of the songs and was one of my probably dominant sub-themes in the writing."

Und was machen wir anderes als uns hier im Internet zu treffen, um uns zu sagen, wie gut uns diese Musik von Rush tut. Und was gibt es schöneres, bei allen Meinungsunterschieden, als wenn jemand sagt: mir geht´s genauso, ich seh das auch so.

Reflected in another pair of eyes ... THAT´S NICE !

 

 
 
Jacob's ladder
 
 

Wer in der Bibelstunde aufgepaßt hat, kennt die Geschichte aus der Genesis ja. Kleine Auffrischung hier:

Jakob schaut die Himmelsleiter

Aber Jakob zog aus von Beerscheba und machte sich auf den Weg nach Haran und kam an eine Stätte, da blieb er über Nacht, denn die Sonne war untergegangen. Und er nahm einen Stein von der Stätte und legte ihn zu seinen Häupten und legte sich an der Stätte schlafen. Und ihm träumte, und siehe, eine Leiter stand auf Erden, die rührte mit der Spitze an den Himmel, und siehe, die Engel Gottes stiegen daran auf und nieder. Und der HERR stand oben darauf und sprach: Ich bin der HERR, der Gott deines Vaters Abraham, und Isaaks Gott; das Land, darauf du liegst, will ich dir und deinen Nachkommen geben. Und dein Geschlecht soll werden wie der Staub auf Erden, und du sollst ausgebreitet werden gegen Westen und Osten, Norden und Süden, und durch dich und deine Nachkommen sollen alle Geschlechter auf Erden gesegnet werden. Und siehe, ich bin mit dir und will dich behüten, wo du hinziehst, und will dich wieder herbringen in dies Land. Denn ich will dich nicht verlassen, bis ich alles tue, was ich dir zugesagt habe.[...](1 Mose 28, V 10-22)

 

Guckt man sich dann Neil´s Lyrics an, stellt man fest, daß es hier gar nicht um diese biblische Schilderung sondern um ein Naturphänomen geht.Dies bestätigt auch Neil selbst:

"This song simply describes the phenomenon of the sun breaking through the clouds in visible rays, as it sometimes does after a rain or on a cloudy day. The actual name seems to be one of those traditional names for natural things which has probably been around for ages. I think Geddy actually suggested the idea to me, after hearing his mother-in-law use the name. It had a nice sound to it, and of course the event itself is a beautiful and inspiring one."
Neil Peart (Rush Backstage Club newsletter, December 1985)


Neil´s gespaltene Haltung zum Thema Religion ist ja aus den Lyrics hinreichend bekannt. Nimmt man religio (Rückverbindung) wörtlich, ist es aber ohnehin egal, welche Art der Quelle man anzapft, um inspiriert zu werden. Bei dem Einen ist es eben die Bibel, beim Anderen ein Naturphänomen.

Das sog. „crepuscular light“ wird auch als „Jacob´s ladder“ bezeichnet und beschreibt die sichtbaren Strahlen in Form von Bahnen das Sonnenlicht reflektierender Teilchen, meist stark ausgeprägt bei schrägem oder gebündeltem Lichteinfall durch Wolkenränder / -lücken. Diese können nach unten, teilweise wie ein spotlight, aber auch nach oben „fallen“.


In Bayern sagen manche Ureinwohner auch: „D´sunn laßt d´fiaß hänga“ und sogar die Japaner haben diese Himmelserscheinung für eine ihrer Flaggen verwendet.

Ob man nun das Bild der Bibel als Traumvision oder als unerklärtes Himmelsphänomen hinstellt, es geht m.E. letztlich um die Tatsache, daß Hoffnung (Licht) durch eine undurchdringliche niederdrückende Stimmung (Tief, Wolkendecke) durchscheint.

Die shifting shafts of light sollen denn wohl auch die auf- u. absteigenden Engel symbolisieren, um dem naturwissenschaftlichen Denker eine Erklärung abseits jeder Metaphysik zu liefern.

Musikalisch rahmt sich um den Text ein spannender Einleitungsteil mit marschartigen Rhythmen über relativ lange Instrumentalvariationen dieses Themas bis hin zu der schönen Passage, wo sich das Licht seine Bahn ebnet All at once the clouds are parted. Das erinnert mich ein wenig - wenn auch weit hergeholt - an die Stelle „und es ward Licht“ in Haydn´s „Schöpfung“.

Tatsächlich ist die Musik hier nicht absolut zu sehen, sondern wie bei einer „sinfonischen Dichtung“ durchaus auch als Darstellung der Vorgänge in der Natur. Zumindest lese ich dies aus der Entstehungsgeschichte:

Zumindest lese ich dies aus der Entstehungsgeschichte:

In the April, 1980 issue of Sounds magazine, Neil explained how the song was written: "Whereas most of the ideas we were dealing with this time were on the lesser side, and in some cases, like in 'Jacobs Ladder,' looked at as a cinematic idea. We created all the music first to summon up an image -- the effect of Jacob's Ladder -- and paint the picture, with the lyrics added, just as a sort of little detail, later, to make it more descriptive."



 

 
 

Second Nature
A memo to a higher office...

„Second nature“, zweite Natur, ist häufig die Bezeichnung für Umweltprojekte, die Schaffung einer „neuen Erde“ aus verantwortlichem
Handeln gegenüber der Schöpfung. Hiervon handelt zumindest ein Teil der Lyrics mehr oder weniger explizit „I mean the places where we live“ Neil wendet sich an die „movers and the shakers“, die einflußreichen Menschen wie Firmenbosse und mächtige Politiker, die in ihren Entscheidungen nicht die Augen vor ihrem Gewissen verschließen sollten. Der Song steht hier auch in Referenz zu „Big money“, da es da natürlich auch immer um das liebe Geld geht.



Daß sich da gerade bei denen , die kräftig am Rad der Geschichte drehen, leicht Konflikte zwischen dem Han-deln im globalen Zusammenhang und den lokalen Interessen ergeben (think global, act local oder umgekehrt ?) zeigt auch Neil´s Quote zum Song:

"Second Nature" is conciliatory in its message: If we can't reach perfection in this world, then let's at least settle for some degree of improvement.
"Sometimes we have to accept something less than total victory," notes Peart. "It's like the difference between compromise and balance. The politician who campaigns for clean air but doesn't want to close down the stinking factory in his area because thousands of people will lose their jobs. My viewpoint is that I'll take as much as I can without hurting other people." (Neil Peart, 1988)

Es geht also – wie bei Neil ja des öfteren – um Zivilcourage verbunden mit der richtigen Einschätzung, wann Handeln angebracht ist und wann Kompromisse eingegangen werden müssen. Wichtig ist, daß man nicht die Augen vor Dingen verschließt, die uns alle angehen

"Now I lay me down in dreamland."

Diese Phrase hat Neil einem Gebet entnommen:
It is based on an 18th century children's bedtime prayer. Says Peart, "More a paraphrase than a quote, really, but it comes from a prayer which was stitched into a sampler above my grandmother's bed. It began like this: 'Now I lay me down to sleep, I pray the Lord my soul to keep...'"(1994 Rush Backstage newsletter, N.P.)

In Zeiten ökonomischer Anspannung wandern Umweltthemen leider oft in die unterste Priorität ab, mit dem Argument der zunächst sich nicht „amortisierenden“ Kosten. We're both too busy to be taking the blame
Daß jeder Einzelne dennoch etwas in seinem Umfeld tun kann, fängt bei sparsamem Verbrauch an und hört bei Müllvermeidung auf.

„Second nature“ ist ein mehrdeutiger Songtitel (auch keine Seltenheit bei Rush), schließlich bedeutet es auch, daß Dinge in Fleisch und Blut übergehen:
(idiomatic) habit; somehting that comes naturally, automatically, or without conscious thought.  „After enough practice, driving a car becomes second nature.“ (wikipedia.org)

Somit schließt sich der Kreis von der Umwelt zur eigenen Verantwortlichkeit, die Umwelt ist unser Spiegel, so wie wir mit uns umgehen, verändert sich auch unsere Umwelt. Neil´s gedanklicher Wunsch ist es also, daß wir uns der Verantwortung für unsere Umwelt derart bewußt werden, daß wir nicht groß nachdenken müssen, sondern in diesem Bewußtsein handeln. Jeder sollte bei sich erkennen, wo er schon gedanklich das Problem miterschafft, gegen das er im großen Stil kämpft „we fight the fire, while we´re feeding the flames“

Wir brauchen so etwas wie eine Sehnsucht nach dem Paradies, ohne die wir in Hoffnungslosigkeit und Lethargie versinken...


 



 
Available light
 
Ein Lied über das Licht, das bis vor ein paar Jahren zu Unrecht ein Schattendasein in meiner Rushsammlung fristete. Anfangs kam mir der Text etwas trist und nichtssagend vor. Da ich mich jedoch gerade mit dem Phänomen „Licht“ auseinandersetze und auch mal ein paar Fotografieversuche unternommen habe, will ich den zündenden Song hier nochmal rauskramen und zeigen, was in ihm steckt.
 
Musikalisch sehr relaxt und ruhig angegangen scheint sich eine Ballade anzukündigen, der Refrain reißt jedoch aus der Lethargie und mit Solo und Ausklang ist die Ruhe verflogen.
 
Aber nun zu den Lyrics, es geht sowohl um einen technischen Begriff aus der Foto/Filmtechnik, das verfügbare Licht, als auch um einen philosophischen Ansatz – soweit ich das interpretiere.
 
Available Light (engl. verfügbares Licht, vorhandenes Licht, Restlicht) bedeutet in der Fotografie und beim Film, dass für die Aufnahme trotz ungünstiger Lichtverhältnisse (z. B. Aufnahmen bei Dämmerung oder in schlecht ausgeleuchteten Innenräumen) nur mit den ohnehin vorhandenen Lichtquellen am Aufnahmeort, dem vorhandenen Licht, gearbeitet und auf zusätzliche Beleuchtung wie Blitzlicht oder Scheinwerfer verzichtet wird. (wikipedia.org)
 
Dabei entstehen oft sehr stimmungsvolle Bilder, so auch ganz in meiner Nähe ...
 

 
Licht ist als Träger der Urinformation unserer Schöpfung z.B. in der Kabbala Ausgang aller Emanationen Gottes. Aus dem "ungeweckten Urzustand" bricht demnach ein Licht hervor, welches sich in sämtliche Erscheinungsformen bis hin zur stofflich verdichteten Materie ausbreitet. Demnach sind auch die festesten Körper nichts anderes als getrübtes Licht ... schwer vorstellbar, aber mit den Zwillingsphotonen und deren unsichtbarer Kommunikation sind auch in der experimentellen Physik Grenzen überschritten worden, die das Denken in letzten festen Bestandteilen unserer Welt rechts überholen.
 
Das lat. "lux" als Träger des göttlichen Lichts (lux divina) und "lumen" als Er-leuchtungszustand des Menschen (lumen naturale) werden in der Technik gebraucht als Leuchtstärke, gesamter Lichtstrom (lumen) und Lichtstrom pro Fläche (lux). So übersetzt wäre Erleuchtung nur dann möglich *g*, wenn man den Lichtstrom unbegrenzt auffangen könnte.
 
Beim Sehvorgang des Auges trifft Licht auf die Netzhaut und wird sodann von Rezeptoren aufgenommen, verarbeitet, mit Informationen abgeglichen usw. Wir können also die von uns wahrgenommene Wirklichkeit getrost als unsere persönliche und nicht objektive Wirklichkeit bezeichnen.
 
Zurück zum Song:
 
In den Strophen beschreibt Neil die Unnahbarkeit der Natur am Beispiel des Windes und die Vergänglichkeit am Beispiel des Lichts. Dabei gelingen ihm wieder mal poetische Höhenflüge wie z.B. über die Melodie der Häuserschluchten in the canyons of the city, you can hear the buildings cry
 
Im Refrain steht dagegen die Verbundenheit des Menschen durch die Naturphänomene the wind can carry all the echoes home to me. Aber Neil ist das Echo des Windes und das Spiel des Lichts zu wenig. All four winds together Can't bring the world to me.  Er will mehr, er verfolgt die Natur, er reist um die Welt, er will das Leben erleben und nicht nur aus Büchern, Filmen oder Erzählungen erfahren. Indem er alles aufnimmt, was für ihn nur verfügbar ist.
 
Bezogen auf den Grad der "Illumination", der Erkenntnis, der Erleuchtung, wird aus dem verfügbaren Licht der eigene Horizont, den wir nur in uns erweitern können, auch wenn wir um die ganze Welt reisen.
 
I want to look at life - In the available light
 

 
Image © tgw.net

 
FEAR - A trilogy and more
  
Keine Angst :) an dieser Stelle lasse ich als Einleitung erstmal nur Neil selbst sprechen...
 
"It's part one of a trilogy but it's the last one to appear. The last three albums have each contained a part of that trilogy, and I started thinking about them all at the same time, but they appear in the order in which they were easiest to grasp. In other words, "Witch Hunt" was the first one, dealt with that mentality of mob rule, and what happens to a bunch of people when they come together and they're afraid, and they go out and do something really stupid and really horrible. That was easy to grasp, and you see plenty of examples of that in real life as well as in fiction and in films of course, too. So that was easy to deal with. The second one was "The Weapon," and it was dealing with how people use your fears against you, as a weapon, and that took a little longer to come to grips with, but eventually I got my thinking straightened out and the images that I wanted to use, and collected them all up, and it came out. And then finally, "The Enemy Within" was more difficult, because I wanted to look at how it affects me, but it was more than about me. I don't like to be introspective as a rule. I think I'm gonna set that down as my first rule, as "never be introspective!" But, uh, I wanted to, at the same time I wanted to write about myself in a universal kind of way, I want to find things in myself that I think apply." (N.P, 1984)
 
 (chin. Schriftzeichen f. Furcht)

 

 
Nun die einzelnen Parts in Ihrer Erscheinungsreihenfolge ...
 
WITCH HUNT - Part III of "fear"
 
„Silent and stern in the sweltering night,
The mob moves like demons possesed.
Quiet in conscience, calm in their right,
Confident their ways are best.“
 
Als Part III der Fear - Fortsetzungsgeschichte handelt es vom Leitmotiv der nach außen projizierten Furcht. Die zweidimensionale Sicht des Mittelalters: Was außergewöhnlich (ob nun schön oder häßlich, schlau oder dumm) und nicht erklärbar ist, muß der Teufel sein, den man nur durch die Verbrennung vertreiben und somit den/die arme(n) Sünder(in) erlösen kann.
 
 So zweidimensional war die Weltsicht in allen Dingen, denkt man an die Vorstellung von der Erde als Scheibe, die Treppendynamik der Musik (nur laut und leise), die mechanistische Physik (Ursache - Wirkung) u.v.m. 
 
Mir kommt bei dem Bild auf dem Cover immer die „Hexe von Schongau“ Agnes Weiß (letzte dokumentierte Hexenverbrennung im 16. Jh.) in den Sinn, welche ich im gleichnamigen Schauspiel im oberbayerischen Schongau sehr beeindruckend erleben konnte (s. Bild).
 
 
Musikalisch ist das sehr gut umgesetzt worden, von dem dissonanten Geklingel und dem Stimmengewirr der aufgebrachten Menge über den Marschrhythmus der Trommeln bis zu dem vertrackten Gitarrenriff, der durch unterschiedliche Betonung des Anschlags die Unruhe der Menschen vor dem grausamen Ritual widerspiegeln könnte.
 
Neil selbst bezeichnet im Tourbook diesen Song als den „winner of the most-rewritten song award“, d.h. entgegen der livebezogenen Arrangements wurde hier wirklich ein Studiostück geschaffen, bei dem z.B. das Schlagzeug zweimal aufgenommen wurde. So schlecht klingt das Ganze m.E. aber live (ASOH) auch wieder nicht.
 
Die Quintessenz kommt in den letzten Zeilen der Lyrics zum Ausdruck, ein leider nicht auf das Mittelalter beschränktes Fazit zu einem Thema, das so alt ist wie die Menschheit selbst.
 
„Quick to judge,
Quick to anger,
Slow to understand
Ignorance and prejudice
And fear
Walk hand in hand.“
 
THE WEAPON - part II of "fear"
 
And the things that we fear are a weapon to be held against us...
 
Wie die wichtigste Zeile der Lyrics schon sagt, geht es bei Part II of fear um die instrumentalisierte Angst. Das Einschüchtern, die Schreckensherrschaft oder den Terrorismus. Wer Ängste schürt, erhält Macht über Menschen und an Beispielen in der Geschichte mangelt es dafür wahrlich nicht.
 
Dagegen steht der Ausspruch des amerik. Präsidenten, den Neil gleich eingangs zitiert:
 
"The only thing we have to fear is fear itself." (Franklin D. Roosevelt)
 
Furcht vor Dingen, Strafe, Liebesentzug etc. begleitet uns von Kindesbeinen auf. Und doch ist diese Furcht, wenn sie denn gezielt von Anderen als Mittel zum Zweck benutzt wird, nur dann eine Waffe, wenn sie innerlich als solche akzeptiert wird.
 
So hält bekanntermaßen Strafandrohung nicht zwingend von der Tatausübung ab, wer den Tod nicht fürchtet und die Wahrheit sucht, hat nichts zu verlieren, er ist
 
He's a little bit afraid of dying -
But he's a lot more afraid of your lying
 
In der Tat ist das Wissen um die eigenen Ängste eine Grundvorraussetzung, zu sich zu finden. Solches wird mangels realer Bedrohungen heutzutage durch Extremerfahrungen gezielt eingeleitet. Schon Grimm´s Märchen „Von einem der auszog, das Fürchten zu lernen“ lehrt:
 
Ein Haufen kalter, glitschiger Fische ist letztlich der Auslöser, der den unerschrockenen Sohn das Fürchten lehrt. „Der Fisch ist rätselhaft, geheimnisvoll, besitzt Zauberkraft und symbolisiert jene Kraft, die jeden Wunsch in der Phantasie zu erfüllen vermag. Fische-Essen bedeutet Kindersegen. Er gehört zum Liebeszauber. Es ist daher ebenso heiter wie tiefsinnig, wenn der Königsohn durch das Erlebnis der Fische das Gruseln lernte, also jenen Urschauder erfuhr, der mit jeder Lebensschöpfung verbunden ist. Der Fisch ist ein Symbol des Chaos, aus dem alle Geschöpfe hervorgehen oder das sie als Walfisch wieder einschlingt.“ (Lexikon d. Märchensymbolik)
 
Schon die Normannen wollten anläßlich ihrer Studienreise nach Gallien das Fürchten lernen, da Angst Flügel verleihe (= das Wissen um die Angst und deren Besiegen frei macht). Mit diesen weisen Worten beschließt Miraculix tiefsinnig den halbwegs geglückten Versuch der wilden Krieger (und das alles in einem Comic !) :
 
  

 
 THE ENEMY WITHIN - part I of "fear"
 
every muscle tense to fence the enemy within
 
Ängste können einen soweit treiben, daß man ganz seltsame Dinge tut (z.B. unters Bett gucken, ob da einer liegt oder jede Tür x-mal kontrollieren, ob sie zugesperrt ist oder das Schlafzimmer nach Spinnen absuchen). Die Imagination spielt uns hier gerne Streiche, indem sie Objekte unserer Angst entstehen läßt, die entweder harmlo-
ser Natur oder aber gar nicht vorhanden sind und uns trotzdem Gänsehaut erzeugen...
 
Things crawl in the darkness, that imagination spins. Needles at your nerve ends crawl like spiders on your skin
 

 
 
Die in „The weapon“ geschilderte Flucht nach vorne und die Konfrontation mit den Ängsten spielt auch hier eine entscheidende Rolle. Der Feind, ist er erstmal in sich erkannt, kann gestellt werden:
 
I'm not giving in
To security under pressure
I'm not missing out
On the promise of adventure
I'm not giving up
On implausible dreams-
Experience to extremes-
Experience to extremes
 
Auch die klassische Schattenangst der Kinder kann sich bis ins Erwachsenenalter halten
 
Shadows across your window-
Was it only trees in the wind?
 
Daß wir vor den Schatten der Dinge Angst haben, symbolisiert einmal mehr, daß wir uns mit dem Unbekannten, dem Schemenhaften nicht beschäftigen wollen, es geht immer um nicht greifbare Dinge. Der Schatten steht für das Abgelehnte, das nicht Gelebte und ist dennoch nur die Projektion dessen, was bereits vorhanden ist, was bereits gelebt wird. Durch Verzerrung erscheinen Schatten bedrohlich, sie spiegeln die eigene Negativwertung, welche oft genug ein Zerrbild der Wirklichkeit sind und aus einer Maus einen Elefanten machen.
 
Indem wir im Schatten letztlich ein uns fehlendes Prinzip erkennen, verlieren wir unsere Furcht davor und werden wieder ein Stückchen „heiler“.
 
FREEZE - part IV of "fear"
 
Im Part IV greift Neil auf die abgeschlossene Trilogie zurück und schildert die unterschiedlichen Reaktionen auf furchteinflößendes Erleben
 
Sometimes I freeze - until the light comes
Sometimes I fly - into the night
Sometimes I fight - against the darkness
Sometimes I'm wrong - sometimes I'm right
 
Das Verhalten der Angststarre ist nach neuesten Forschungsergebnissen ein Urinstinkt, der das Überleben sichern sollte, nämlich durch die Bewegungslosigkeit unentdeckt zu bleiben. Flucht oder Starre sind beides Verhalten, die ohne großes Nachdenken ablaufen und den Körper in höchste Anspannung, sei es durch Kontrolle oder Bewegung versetzen. Dabei fühlt sich der Gepeinigte Like a cornered beast or a conquering hero
 Die Tarotkarte 

führt uns wieder von der Reaktion zur tieferen Bedeutung unserer Ängste...
 
Die 8 der Schwerter zeigt, dass wir einen wichtigen Teil in uns nicht lebendig sein lassen. Damit ist sie häufig Ausdruck von Hemmungen oder Verboten, die zwar fast immer ihren Ursprung in uns selbst haben, aber gerne auf die Umgebung projiziert werden...Diese Karte fordert uns damit zu der Erkenntnis auf, dass die Einschränkungen, Schwierigkeiten und Verbote nicht in der Außenwelt liegen, sondern unsere eigenen Ängste und Hemmungen spiegeln. (www.tarot.de)
 
Durch das „Ausschalten“ der bedrohlichen Außenwelt und das extreme Zurückziehen in sich bedarf es folglich zur Erlösung einer entkrampfenden Handlung – meisterhaft expressionistisch dargestellt in Munch´s „Der Schrei“ –
 

Unsere Ängste sind aus der Wortwurzel heraus Engegefühle, die sich durch eine Weitung der Sichtweise auflösen lassen, in der Therapie bekannt als Desensibilisierung durch Entspannungstherapie.

 
Bravado
Was heißt eigentlich...
bra·va·do 
Defiant or swaggering behavior: strove to prevent our courage from turning into bravado.
A pretense of courage; a false show of bravery.
[French bravade and Old Spanish bravada, swagger, bravery, both ultimately from Vulgar Latin *brabus, brave; see brave.] (wiktionary.org)
 
Bravado ist also zweischneidig: Mut des Tapferen ohne groß Nachzudenken, aber auch Übermut, also zuviel des Guten. Durchziehen, weil es die Energie zu nutzen gilt, auch wenn dabei Verluste entstehen können (geht so in Richtung dolus eventualis - für Juristen)
 
Neil dreht die Geschichte um und fängt die Strophen jeweils mit den riskanten Folgen der Bravado-Manier an. Klassische Beispiel aus der Antike, der erfolglose Flug des Ikarus.
 
"There is some Greek Mythology in the lyrics. The line, "If we burn our wings flying too close to the sun" is a reference to Icarus, a hero who made wings out of wax, which melted when flying too close to the sun."  (N.P.)
 

 
Ikarus und Vater Dädalus wurden von König Minos im Labyrinth festgehalten, weil Sie Theseus mit dem Ariadnefaden versorgten und ihm die Flucht ermöglicht hatten. Die selbstgebauten Flügel verhalfen Vater u. Sohn zur Flucht, jedoch wurde Ikarus übermütig und näherte sich zu sehr der Sonne, die Folgen sind ja bekannt.
 
Interessant ist es, daß Geddy sehr persönliche und intime Worte findet, wie man sie nicht so oft von ihm hört, wenn er über Rushsongs spricht:
 
Geddy Lee ("RTB CD Launch radio broadcast"): "That's a pretty emotional song for me. It's one of my favorites that I think we've ever written. Just because it's quite a change.... it's quite a different song on the album. It's stands out on the record as being a different texture than most of the other tracks. That line to me says really says so much about the people, really that move the world, you know, the people that go out there and do what has to be done. And they're not worrying about what it's going to cost them personally down the road, they're doing what has to be done, and they're prepared to pay the price for it without worrying about.... the payment that comes later."
 
Hier noch ein Quote von Alex zur Musik, eine Musik die eins der herrlichsten Mittelstimmlagen-Vocals von Geddy, eines der schönsten Soli von Alex und ein beeindruckend steigerndes Drumspiel von Neil beinhält:
 
Alex Lifeson (Roll The Bones Radio Special): "That's a special song for me, that's one of the songs that we lifted some of the guitar parts off the demo tapes we used on the finished record. The solo is a thrown away solo that was just a one-take solo. ... But Bravado ... I feel is probably among the best that I've done -- the most emotive and the most spontaneous, and a one-take solo."
 
Zurück zu den Lyrics. Die wohl dramatischste Line des Textes erläutert Neil im Folgenden:
 
"We will pay the price, but we will not count the cost"
 
"A line from John Barth's The Tidewater Tales (he said I could use it) which echoed around inside me for a long time after I read that book. To me, it just means go for it. There are no failures of talent, only failures of character. I think that's often true too. Sure there a lot of talented people who don't achieve artistic or worldly success, but I think there's usually a reason - a failure inside them. The important thing is: if you fail once, or if your luck is bad this time, the dream is still there. A dream is only over if you give it up - or if it comes true. That is called irony. We have to remember the oracle's words, from Nike, the Greek goddess of victory and lumpy athletic shoes: Just do it. No excuses." (RtB Tourbook, N.P.)
 
Also hier die Auflösung der Zusammenhänge zur Dreams-Trilogie:
 
Die Fortsetzung von Middletown dreams ... „bravado“ angegangen sind die Träume umsetzbar; „If we keep our pride“
 
Die Fortsetzung von Losing it ... „bravado“ betrachtet sind sie der Leidenschaft wert gewesen „If the dream is won - Though everything is lost“